HLT Retz – Höhere Lehranstalt für Tourismus
Um- und Zubau
Wettbewerbsbeitrag, Anerkennungspreis
Juni, 2018
Städtebau: In einer Umgebung, die durch eine heterogene Bebauungsstruktur mit Siedlungsbauten, Einfamilienwohnhäusern, Supermärkten geprägt ist, bilden der Bestandsbaukörper und der Gebäudekomplex der NMS Retz den baulichen Rahmen für den geplanten Erweiterungsbau. Gemeinsam bildet der Bestandsbaukörper mit der Erweiterung eine L-förmige Struktur, die den südlichen Gartenbereich bis hin zum prominent gelegenen Gastgarten baulich fasst. Zwischen den Gebäuden der NMS und der HLT entsteht ein attraktiver Schulplatz und ein großzügiger Grün- und Aufenthaltsbereich.
Baukörper: Die beiden Geschoße des Erweiterungsbaues werden unterschiedlich betrachtet: Im Obergeschoß werden die Theorieklassen um eine zentrale Lern- und Aufenthaltszone gruppiert, die vertikal über eine Galerie und eine Treppe auch mit dem Erdgeschoß verbunden ist. Im Erdgeschoß bildet eine Raumzone dienender Räume einen „Filter“ zwischen den öffentlichen- und den Küchenbereichen. Durch die geringfügige Verdrehung der beiden Ebenen zueinander entsteht ein überdeckter Gastgarten im EG einerseits und Terrassen im OG andererseits. Über das Glasdach des atriumähnlichen Obergeschoßes werden die Kernzonen des Theoriebereiches, aber auch Speisesaal, Buffetbereich und Halle im EG belichtet, die durch die Galerie auch eine vertikale Raumkomponente erhalten.
Architektur: Bestimmendes Element der Architektur ist das Konzept der „verdrehten“ quadratischen Baukörper und das „Spiel“ des eher geschlossen wirkenden Theoriegeschoßes zum transparenteren Erdgeschoß, das dem Obergeschoß Leichtigkeit und einen „schwebenden“ Charakter verleiht. Zusätzlich wird Schüler*innen wie Besucher*innen auch von außen Einblick in die in der Gastronomie sonst meistens verborgenen Praxisbereiche gewährt.
Der Bestandsbau erhält eine neue, ansprechende Fassade und öffnet sich zum Park – das Untergeschoß wird so zum Gartengeschoß.
Gebäudehülle: Technisch gesehen besteht der Baukörper aus zwei kompakten Quaderformen, die lediglich über die Verdrehung eine Auskragung und eine Dachterrasse bilden. Die thermische Gebäudehülle besteht im den Sockelgeschoß aus Verglasungen und opaken gedämmten Wandteilen. Im Obergeschoß wechselt die Gebäudestruktur auf einen Holzbau wodurch sich offene, verglaste und geschlossene, mit einer hinterlüfteten Holzfassade belegten Wandflächen abwechseln.
Die neue Fassade des Bestandsgebäudes soll dieses technisch ertüchtigen und gemeinsam mit dem Erweiterungsbau ein einheitliches Erscheinungsbild ermöglichen.
Erschließung: Durch die besondere Lage der Baukörper am Gelände ergeben sich mehrere Zugangsmöglichkeiten auf den verschiedenen Ebenen, welche für die „Bespielung“ des Gebäudes in den unterschiedlichen Nutzungsarten wie Hauptunterrichtszeit (Theorie und Praxis), Freizeit, Schulveranstaltungen, kulturelle Veranstaltungen, Administration und Anlieferungstätigkeiten von erheblichem Vorteil sind. Der Hauptzugang erfolgt von Nordwesten über den Vorplatz bzw. bei Anreise mit dem PKW oder dem Fahrrad von Südosten in die zentrale Halle im Verbindungsbereich zwischen Bestand und Neubau. Die Schüler*innen erreichen die Zentralgarderoben im UG des Bestandes über wenige Stufen. Besucher*innen werden an der dem Haupteingang gegenüber liegenden Rezeption begrüßt. Für die vertikale Erschließung stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung: Das Treppenhaus im Bestand, das offene Treppenhaus mit Aufzugshaltestellen auf allen Gebäudeebenen und die frei stehende Treppe im Bereich Buffet / Speisesaal. Durch die 2-geschoßige Konzipierung des Erweiterungsbaues ergeben sich in jedem Geschoß Ausgangsmöglichkeiten teils direkt aus den Unterrichtsräumen, teils aus den Aufenthaltsbereichen auf Dachterrasse oder das natürliche Gelände, welche für Outdoor-Unterricht, Pausenaktivitäten, aber auch für den Fluchtfall genutzt werden können.
Funktion: Im Bestand befinden sich von unten nach oben im UG die Zentralgarderobe, Lern- und Informationszentrum, Medien- und Projektraum als offene, dem Park zugewandte Raumfolge, bei dem der Projektraum mittels mobiler Trennwände abgeschlossen werden kann. Ebenfalls auf dieser Ebene befinden sich die Schulmedizin und Servicebereiche. Im EG des Bestandes (im Projekt als Mezzanin bezeichnet) werden die Direktion, der Aufenthalts- und Arbeitsbereich für Lehrer*innen (mit eigener Terrasse), sowie eine großzügige zum Park hin orientierte Wartezone vorgeschlagen. Aus diesem, zwischen Theorie und Praxis befindlichen Geschoß haben die Lehrenden aufgrund der „Split-Level“- Anordnung von Bestand und Erweiterung in beide Bereiche kurze Wege. Auf der Ebene des OGs werden die beiden Bauteile mit wenigen Stufen gekoppelt und so eine durchgängige „Theorie-Ebene“ geschaffen. Im Erweiterungsbau wurde im UG ein eigenes Technikgeschoß zur Aufnahme einer zum Küchenbetrieb erforderlichen Lüftungstechnik situiert. Im EG befindet sich gegenüber dem Haupteingang die Rezeption, wo Besucher*innen empfangen und in die weiteren Bereiche geleitet werden. An die zentrale Halle schließt direkt das Buffet/ die Lehrbar an, das aus dem Theoriegeschoß darüber, über die frei stehende Treppe direkt erreicht werden kann. Die Raumzone WC, Umkleiden, Buffet/Bar, Catering, Office und Wäsche bilden einen „Filter“, eine Übergangszone zum Küchenbereich, der über eine eigene interne Gangzone verfügt, über die die Schüler*innen und Praxislehrer*innen alle internen Bereiche auf kurzem Wege erreichen können. Der Küchenbereich gliedert sich in die Einzelplatzküchen mit angeschlossenem Servierkunderaum, den zentralen Lager- und Entsorgungsbereich und die Betriebsküche mit Verbindung zum Office. Der Speisesaal befindet sich an der attraktivsten Stelle des Gebäudes, ist nach Süden zum Park und nach Osten orientiert, wird zusätzlich von oben über die 2-geschoßige Halle belichtet. Zum Park hin vorgelagert ist der überdeckte – und damit natürlich beschattete und witterungsgeschützte – Gastgarten mit Blick ins Grüne. Im Obergeschoß ordnen sich die Theorieklassen abwechselnd mit Aufenthalts- und Lernzonen um die zentrale Halle an. Die EDV-Räume / Übungsfirma wurden bewusst nach Norden gelegt um auf natürliche Weise ein behagliches Raumklima zu schaffen. Der Projektvorschlag soll mit seinen flexiblen Raumnutzungen und vielfältigen Nischen und Sitz- und Arbeitsbereichen das Konzept des kooperativen und offenen Lernens optimal unterstützen.
Freiraumgestaltung: Insgesamt besteht die Intention des Verfassers darin, die Möglichkeiten der natürlichen Geländesituation bestmöglich auszunutzen. Durch die Lage des Gebäudes am Grundstück wird auch der Freibereich gegliedert. So entsteht eine Abfolge von mehr und weniger intensiv gestalteten Flächen, die das Projekt mit der Umgebung „vernähen“. Unter den gestalteten Bereichen ist der Zugangsbereich zum Haupteingang, besonders aber der, dem Gebäude südlich vorgelagerte Park mit Seerosenteich, Holzwegen, Brücken, Sitzbereichen, Sitzstufen hervorzuheben, der sich bis zum Gastgarten erweitert und sich optisch bis in den Speisesaal fortsetzt.
Tragwerksplanung und Bauphysik: Die Tragstruktur wird für das Sockelgeschoss und in den erdberührten Bereichen in Ortbetonbauweise vorgeschlagen. Bei der Decke über Erdgeschoß soll auf Trägerausbildungen weitgehend verzichtet werden um eine einfache Verteilung von Medien zu gewährleisten. Aufgesetzt auf den so errichteten „Betontisch“ werden die Klassengeschoße in Holztafelbauweise konzipiert, sodass die Außenhaut in Form von vorgefertigten hochgedämmten Elementen (ca. 25cm Dämmstärke) optimale U-Werte erreicht und damit Einsparungen im Energieverbrauch ermöglicht. Die weitgehende Vorfertigung (einschließlich der Fensterkonstruktionen) ermöglicht eine rasche Durchführung der Arbeiten vor Ort.
Technische Gebäudeausrüstung: Zentrales System: Im Rahmen eines Vorprojektes sind Systemvergleiche von den möglichen Wärmeversorgungsquellen auszuarbeiten. Die Varianten sind hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit plausibel darzustellen. Geprüft werden soll vor allem die Aufstellung einer Solaranlage am Gebäudedach zur Warmwasserbereitung und Wärmeeinspeisung in das Heizungssystem. Die Solaranlage könnte mit einer Wärmepumpe, die als Entzugsquelle Geothermie aus Energiepfählen hat, kombiniert werden. Auftretende Wärmebedarfsspitzenabdeckungen sollten durch eine zusätzliche Biomasse- oder eine örtliche Fernwärmeversorgung gedeckt werden.
Raumabgebendes System: Zur Wärmeabgabe in den Räumlichkeiten werden Niedertemperatursysteme wie Fußbodenheizungen kombiniert mit Radiatoren zur Spitzenlastdeckung vorgesehen.
Lüftung: Für die Klassenräume wird eine kontrollierte Wohnraumlüftung zur Sicherstellung des Luftwechsels und zur Minimierung der Energieverluste durch individuelle Lüftung vorgeschlagen.
Die Aufenthaltsbereiche in den Geschoßen (Gänge u. Sitzplätze), EDV-Räume und –Klassen, der Speisesaal und die für Veranstaltungen genutzten Bereiche der Erweiterung werden mechanisch be- und entlüftet, um die erforderliche Raumluftqualität zu erreichen. In diesen Bereichen kann keinesfalls auf eine mechanische Grundlüftung verzichtet werden. Die Küchenbereiche werden mit einer eigenen Lüftungsanlage ausgestattet, die alle erforderlichen technischen Anforderungen erfüllt. Alle Lüftungsanlagen werden mit rekuperativen Wärmerückgewinnungssystemen ausgestattet.
Nachhaltigkeit: Durch die Verwendung von hochwertigen Produkten kann eine längere Lebensdauer erzielt werden. Hervorhebenswert ist die Verwendung von lokal verfügbaren Materialien, nachwachsenden Rohstoffen, der Einsatz von herkömmlichen Handwerkstechniken, die kombiniert mit wirtschaftlichen, qualitätsgesicherten Herstellungsprozessen, die zu Kostenreduktionen im Bereich von Reparaturen bzw. Ersatzanschaffungen und damit verbunden zur Energieeinsparungen im Verbrauch von Primärenergie führen.